Digitaler Chor – muss das denn sein?!

Ein Rückblick auf 5 Jahre re:mix – Jugend singt und mischt sich ein”

Es ist kompliziert…

„Woran arbeitest du?“

„Das Projekt heißt re:mix und soll mit innovativen digitalen Tools die Demokratisierung der Vereinsstrukturen der Deutschen Chorjugend stärken.“

„Aha. Also digitale Chorproben …“

„Nee!“

„Hä? Was hat Chor sonst mit digital zu tun? Und wie jetzt Demokratie stärken? Da wird doch gesungen!“

„Ja, ich weiß, das klingt erstmal kompliziert. Also …“

So oder so ähnlich liefen zu Beginn der Projektzeit einige Gespräche. Die Antwort darauf, wie Demokratisierung von Chor, digitale Medien und politische Bildung zusammenpassen könnten, haben wir nicht in einem einzelnen Moment gefunden, sondern in vielen kleinen Schritten und in einem noch immer andauernden Prozess.

Zu Beginn des Projekts setzten sich die Teams aus mediale pfade e.V. und der Deutschen Chorjugend zusammen und fragten sich: Was wollen wir? Was braucht der Verein? Und wie können digitale Tools die Demokratisierung des Verbands unterstützen?

Die Ideen sprudelten – Workshops, Tools, Plattformen, Spiele. Die Vision: Chöre sollten nicht nur musikalisch, sondern auch gesellschaftlich wachsen können. Demokratie in einem Chor sollte greifbar werden, nicht nur in den Strukturen, sondern auch im Erleben der Mitglieder. 

Digital statt analog – Die Pandemie verändert alles

Doch wie heißt es so schön: Leben ist das, was passiert, während man andere Pläne macht. Und dann kam die Pandemie. Mit einem Schlag war klar: Nichts würde mehr so sein wie vorher. Singen in geschlossenen Räumen, große Gruppen voller Menschen und eine Menge Aerosole – Chöre wurden zur gefährlichsten Aktivität der Welt. Chorproben wurden abgesagt, Auftritte verschoben, und für viele Chöre bedeutete die Pandemie das Ende ihrer Gemeinschaft. Unsere Pläne für re:mix schienen dahin. Oder doch nicht? Bei genauem Hinsehen zeigten sich für das Projekt jetzt andere Möglichkeiten. Die Chorjugend brauchte Unterstützung bei der Einbindung und Nutzung digitaler Medien – jetzt mehr denn je.

Aus der Not eine Tugend

Plötzlich wurden digitale Medien zu einem Rettungsanker – zunächst aus der Not heraus, doch dann eröffneten sie völlig neue Möglichkeiten für das Konzept „Chor“. Die Unmöglichkeit, gemeinsam zu singen und zu proben, schuf Raum für andere Themen, die in der Hektik des Choralltags oft eher kurz kommen. re:mix nutzte diese Zeit, um neue Formate zu entwickeln und bestehende Ansätze zu vertiefen.

So entstand der Chor.Leben Podcast, in dem Themen wie „Partizipation im Chor“, „Vielfalt und Inklusion“ oder „Selbstwirksamkeit durch Musik“ die Hauptrolle spielten. 

Auch Social Media bekam einen neuen Stellenwert. Chöre entdeckten die digitalen Plattformen als Chance, neue Zielgruppen zu erreichen und ihre Reichweite zu vergrößern. Doch wie gelingt das? Welche Plattformen passen zu welchen Zielgruppen? Um diese Fragen zu beantworten, wurden im Rahmen von re:mix offene Bildungsressourcen entwickelt, die Chören helfen, Social Media als Werkzeug für die Vereinsarbeit zu nutzen.

Ein weiterer Meilenstein war die Entwicklung eines digitalen Wahltools, das nicht nur in der Pandemie genutzt wurde, sondern bis heute als praktisches Hilfsmittel dient. Mit Digitalwahl.org können Mitgliederversammlungen und Abstimmungen datenschutzkonform und effizient online durchgeführt werden. Dies erleichtert nicht nur die Arbeit in der Pandemiezeit, sondern fördert auch langfristig die Mitbestimmung in Vereinen.

Es kamen unzählige Workshops, Inspire Sessions und Fortbildungen für Chorverbände und Chorleitende in ganz Deutschland hinzu. Dabei wurden nicht nur dringend benötigte Digitalkompetenzen gestärkt, sondern auch gemeinsam erarbeitet, wie digitale Werkzeuge für demokratiestärkende Themen genutzt werden können.

Die digitale Transformation war keine einfache Zeit für Chöre, aber sie hat gezeigt, wie resilient und innovativ diese Gemeinschaften sein können. Auch wenn viele Chöre diese Herausforderungen nicht überstanden haben, entstanden in diesem Spannungsfeld aus Notwendigkeit und Möglichkeit neue Ansätze, die die Chorarbeit bereichern und langfristig stärken können.

Demokratie und Präsenz – Wie das voice(k)it entstand

Doch re:mix war mehr als nur eine Reaktion auf die Pandemie. Schon während der Krisenzeit stellten wir uns die Frage, wie wir sicherstellen können, dass die entwickelten Methoden und Themen nicht verloren gehen – gerade dann, wenn sich die Chor-Gemeinschaft nach der Pandemie wieder in Präsenz trifft. Denn eines war klar: Chöre wollten zurück zu ihrem Kern – gemeinsam Singen.

Gleichzeitig sollten all die wichtigen Themen, die während der Pandemie in den Fokus gerückt waren, nicht wieder in den Hintergrund treten. Demokratie, Mitbestimmung, Kinderrechte und eine offene Gemeinschaft sind essenzielle Aspekte, die auch in einer Chorprobe Platz finden können – und müssen.

So entstand das voice(k)it, ein Methodenkoffer, der genau diese Brücke schlägt: digitale Demokratie zum Anfassen und Mitsingen. Mit spielerischen Ansätzen, kreativen Tools und reflektierenden Übungen können Gruppen Themen wie Kinderrechte, Diversität und Mitbestimmung aufgreifen – eingebettet in den Choralltag.

Was bleibt – Und wie es weitergeht

Nicht alles aus re:mix wird bleiben – und das ist gut so. Die Pandemie hat gezeigt, dass nichts die Wärme eines echten Chorklangs ersetzen kann. Doch die digitalen und hybriden Formate haben uns gelehrt, wie wir Chöre inklusiver, zugänglicher und moderner gestalten können. Warum ist das wichtig? Weil ein demokratisch denkender Chor viel mehr ist als nur eine Gemeinschaft, die singt. Ein Chor kann jungen Menschen zeigen, dass jede Stimme zählt – musikalisch wie gesellschaftlich. Er wird zu einem Ort, an dem Vielfalt gelebt, Meinungen gehört und Entscheidungen gemeinsam getroffen werden. Das ist nicht nur für die Chormitglieder bereichernd, sondern stärkt auch die gesamte Chorarbeit als Ort der Teilhabe und Gemeinschaft.

Die Werkzeuge und Methoden von re:mix können ein sehr guter Startpunkt für alle Chöre sein, die sich weiterentwickeln möchten. Ob ihr das voice(k)it nutzt, die Virtuellen Chorwelten erkundet oder euch mit den OER-Ressourcen für digitale Mitgliederversammlungen beschäftigt – die Möglichkeiten sind vielfältig.

Zusammen singen wir stärker – Und ihr gestaltet die Zukunft

Wir hoffen, die aus re:mix entstandenen Methoden, Inhalte und tools sind ein eindrückliches Plädoyer dafür, sich zunächst ungewöhnlich scheinenden Verbindungen zu widmen. Diese Kooperation war nicht immer einfach – es gab Reibung, und manchmal flogen auch die Funken. Doch vor allem erzeugte sie Wärme, brachte uns voran und zeigte uns, wie viel Potenzial in ungewöhnlichen Partnerschaften liegt.

Sie sind herausfordernd, aber sie öffnen Türen, schaffen Perspektiven und lassen Ideen wachsen, die in keinem geschlossenen System entstehen könnten. Und was am Ende dabei herauskommt ist ein Beweis dafür, wie sehr es sich lohnt, gemeinsam über den eigenen Horizont hinauszudenken.

Die Reise von re:mix mag zu Ende sein, aber die Reise der Chorjugend geht weiter. Lasst uns gemeinsam die Zukunft der Chorarbeit gestalten – eine Zukunft, in der jede Stimme zählt, analog wie digital. Eure nächste Probe könnte der Anfang von etwas völlig Neuem sein.
Denn zusammen singen wir stärker – und digital gestalten wir mit.

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Katrin Huenemoerder, Projektleitung re:mix und Geschäftsführung mediale pfade.org
& Sophie Leubner, Projektmitarbeit re:mix

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