Voneinander lernen – miteinander leben

Was verstehen wir eigentlich unter Willkommenskultur? Für uns ist sie nicht nur versorgend, sondern sollte von Anfang an auch partizipativ und von allen beteiligten Menschen her gedacht sein. Geflüchtete Menschen sind nicht nur Objekte der Fürsorge. Vielmehr sehen wir sie als Individuen, deren jeweilige Kultur, Erfahrungen und Bedürfnisse geachtet werden. Davon lernen wir. Für ein gutes Miteinander brauchen wir noch mehr Akzeptanz und Verständnis auf beiden Seiten.

Wir fordern, unsere niedrigschwelligen Zugänge zu nutzen, um Kommunikation auf Augenhöhe zu ermöglichen und Begegnungen zu schaffen, die für beide Seiten fruchtbar und bereichernd sein können.

Kulturvermittlung ist keine Einbahnstraße. Wir bekennen uns zur kulturellen Vielfalt.

Mit diesen Worten machte sich die Deutsche Chorjugend im Herbst 2015 beim Deutschen Bundesjugendring für eine partizipative Willkommenskultur stark.

Die Deutsche Chorjugend (DCJ) bildet den Bundesverband der Kinder- und Jugendchöre im Deutschen Chorverband. Mit über 100.000 Kindern und Jugendlichen in über 2.500 Chören stellt die DCJ die größte Interessensvertretung junger Sängerinnen und Sänger in Deutschland dar. Sowohl in Projekten als auch in der kontinuierlichen Verbandsarbeit fördert und unterstützt die DCJ musisch-kulturelle Bildung, Partizipation von Kindern und Jugendlichen, ehrenamtliches Engagement und den internationalen Austausch. Neben eigenen Programmen wie z. B. der „Weiterbildung Chormanagement“ oder dem Deutschen Jugendkammerchor setzt die DCJ einen Schwerpunkt auf die Förderung internationaler Jugendchorprojekte, die persönliche Begegnungen mit Partnerchören auf der ganzen Welt ermöglichen und so die interkulturellen Kompetenzen der Teilnehmer schärfen. Der Gedanke der Partizipation, der gestaltenden Teilhabe, ist also im Selbstverständnis der Deutschen Chorjugend fest verankert.

Man sagt, Musik sei eine Sprache, die alle Menschen verstehen. Tatsächlich werden den allermeisten Sängerinnen und Sängern in den deutschen Kinder- und Jugendchören schon Werke aus anderen Kulturkreisen begegnet sein; die Einbeziehung des Fremden in die musikalische Betätigung ist also längst ein alltäglicher und liebgewordener Teil unserer Chor-Kultur. In Deutschland leben Menschen aus vielen unterschiedlichen Kulturen, an mancher Stelle gibt es kulturelle Barrieren zwischen „uns“ und „den anderen“ – doch Musik bietet einen sehr niederschwelligen Zugang zum Gegenüber; gemeinsames Singen hat eine enorm verbindende Wirkung und ist das voraussetzungsloseste Kommunikationsmedium schlechthin. Natürlich können und wollen wir niemandem unsere Chortradition aufzwingen; wir wünschen uns einen Austausch, ein gegenseitiges Voneinander-Lernen.

Insofern ist unsere Vision einer Kultur des Willkommens am ehesten dies: eine Einladung zur selbstbewussten und gestaltenden Teilhabe.

Die meisten Menschen, die begeistert in Chören singen, finden schon als Kinder zu dieser meist langjährigen Leidenschaft. Wenn wir also auf Dauer mehr Menschen – auch jenen mit Migrationshintergrund – die Teilhabe an dieser Form des gemeinsamen Musizierens ermöglichen wollen, sollten unsere Bemühungen bereits im Kindesalter ansetzen. Gerade Kinder sind offen für Neues, sie sind neugierig und begeisterungsfähig.

Daran angelehnt plädieren wir auch für Anpassungen in der Ausbildung von Chorleiterinnen und Chorleitern sowie Chormanagerinnen und Chormanagern, denn gerade für Kinder- und Jugendchöre ist die Nachwuchsfrage naturgemäß von existenzieller Bedeutung. Mittel und Methoden zur Ansprache (noch) fremdsprachiger Bevölkerungskreise und bildungsferner Schichten müssen also in der Chorleiterausbildung der Zukunft eine größere Rolle spielen. Chorleiterinnen und Chorleiter sind heutzutage viel mehr als „nur“ Künstler: sie wirken musik- und sozialpädagogisch und werden durch die demografische Entwicklung dazu genötigt, die sozialen Randbedingungen der Chorarbeit weit stärker als bisher in ihre Tätigkeit einzubeziehen. In der Ausbildung fehlen diese Aspekte weitgehend; so bleibt es gewissermaßen eine Typ- bzw. Begabungsfrage, ob eine Chorleiterin oder ein Chorleiter Integration und Partizipation als essenzielle Bestandteile seiner Arbeit betrachtet. Ebenso muss diese Ansprache im Bereich des Chormanagement verstärkt werden. An Menschen heranzutreten, sie tatsächlich „abzuholen“, sie andererseits einzubinden, sie zu beteiligen, zu aktivieren – und nebenbei den eigenen künstlerischen Anspruch und den kulturellen Bildungsauftrag zu erfüllen: dieser komplexe Aufgabenmix erfordert eine weitgefächerte Qualifikation. Darüber hinaus ist all dies enorm zeitaufwändig und kann und darf nicht allein auf das Ehrenamt abgewälzt werden! Auch wenn es bei uns viele Menschen gibt, die beherzt zupacken: Integration ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, deren Bewältigung Geld und Zeit kostet. In anderen Bereichen, wie z.B. der Berufsausbildung, wurde dies bereits erkannt. In der Kultur wünschen wir uns hier jedoch noch Erweiterungen.

Beschlossen auf dem Chorjugendtag 2016 in Frankfurt am Main

Position in Einfacher Sprache

Willkommen!

In der Deutschen Chorjugend dürfen alle Kinder und Jugendlichen mitmachen. Wir lernen voneinander und wir lernen miteinander.

Im Jahr 2015 kamen sehr viele geflüchtete Menschen nach Deutschland. Schon damals hat die Deutsche Chorjugend gesagt, dass wir Geflüchtete nicht nur versorgen müssen. Wir müssen jede geflüchtete Person auch als einen selbständigen Menschen sehen, die aus einer bestimmten Kultur kommt, vielfältige Erfahrungen gemacht hat und eigene Bedürfnisse besitzt. Damit Integration gelingen kann, müssen wir dies achten und davon lernen. Das gilt auch umgekehrt für die Geflüchteten. Wichtig für diesen Prozess sind gegenseitige Akzeptanz und Verständnis.

Und hier bieten die Chöre viele Möglichkeiten. Bei uns sind Teilhabe und Mitwirkung selbstverständlich. Jeder akzeptiert die und den anderen und wir begegnen uns gleichberechtigt. Dabei ist uns kulturelle Vielfalt wichtig.

Alles das sind gute Voraussetzungen für Integration.

Kulturelle Vielfalt

Mitwirkung und Beteiligung sind Grundlagen der Chorarbeit. Diese fördern wir in Projekten und durch unsere laufende Arbeit. Dabei ist ein Schwerpunkt die Förderung der internationalen Jugendchorarbeit. Hier sind uns die persönlichen Begegnungen mit den Kindern und Jugendlichen aus anderen Ländern wichtig. So lernen die Kinder und Jugendlichen schon früh andere Kulturen kennen.

In unseren Chören werden nicht nur deutsche Lieder gesungen, sondern auch Lieder aus anderen Ländern. So lernen die Kinder und Jugendlichen von Anfang an das ursprünglich „Fremde“ schätzen.

In Deutschland leben Menschen aus vielen verschiedenen Kulturen. Wir wollen uns austauschen und voneinander lernen. Musik bietet dazu die Möglichkeit. Sie hat eine verbindende Wirkung und ist die einfachste und emotionalste Sprache, die es gibt und die jeder Mensch besitzt.

Die meisten Menschen, die begeistert in Chören singen, haben als Kinder mit dem Singen angefangen. Wir sollten uns also bemühen, dass auch Kinder mit Migrationshintergrund bei uns singen.

Damit dies gelingt, benötigen wir neue Fortbildungen und Weiterbildungen für die Mitarbeitenden in den Chören. In diesen muss es zum Beispiel um Themen wie „Mittel und Methoden der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen mit unterschiedlichen Lebenserfahrungen“ gehen. Denn die Mitarbeitenden in Chören benötigen nicht mehr nur Wissen über Musik. Sie sind auch Pädagog:innen, die das Umfeld der Kinder mitbedenken und danach handeln müssen.

Auch im Bereich Organisation eines Chors hat sich die Anzahl und Art der Aufgaben verändert: Wir müssen uns inzwischen mehr und unterschiedliche Wege überlegen, wie wir Mitglieder finden und wie wir sie in die Arbeit einbeziehen. Dabei dürfen wir unsere ursprüngliche Arbeit im Chor aber nicht vergessen. Für diese unterschiedlichen Aufgaben benötigt man unterschiedliche Fähigkeiten. Und man benötigt Zeit für die ehrenamtliche Arbeit, und Geld z.B. für Fortbildungen.

Wir denken, dass Integration eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft ist. An dieser Aufgabe beteiligen wir uns gerne, doch dazu brauchen wir mehr Unterstützung.

Das haben wir auf dem Chorjugendtag 2016 in Frankfurt am Main aufgeschrieben.

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