Interview mit Jacinta Pereira | Chor & Schule

Jacinta Pereira ist studierte Kirchenmusikerin, Musikpädagogin und Chorleiterin aus Crailsheim (Baden-Württemberg).

Jacinta, du hast erfolgreich Kooperationen mit Schulen geschlossen. Wie bist du dabei vorgegangen?

Vor knapp zwei Jahren wollte ich einen Kinderchor gründen. Um Kinder für diesen Chor zu begeistern, bin ich an Grundschulen gegangen. Dort habe ich kostenlose Workshops angeboten. Natürlich habe ich vorher mit den Schulleitungen besprochen. Einige kannten mich schon, weil ich als Kirchenmusikerin in meiner Stadt viele Kontakte habe. Eine Woche lang war ich vormittags in der Schule und habe in verschiedenen Klassen mit den Kindern Chorproben gemacht und meine Flyer verteilt. Nun, ein Jahr später, ist der Kinderchor gegründet und 20 Kinder sind dabei.

Welche Erfahrungen hast du mit den Schulen gemacht?

Viele Schulen sind offen für Kooperationen mit außerschulischen Partnern, weil sie einen sehr großen Lehrkräftemangel haben. Ich bin zwar keine Musiklehrerin, aber ich habe Lust an Schulen mit Kindern und Jugendlichen Musik zu machen. Dies nehmen die Schulen gerne an. Für die Chorvereine ist es ein großer Vorteil, wenn sie offen dafür sind, an Schulen zu gehen. Denn es gibt dabei riesige Potenziale und Möglichkeiten!

Was würdest du Vereinen raten, die eine Kooperation mit einer Schule schließen möchten?

Eine Offenheit, Dinge anders und neu zu machen halte ich für sehr wichtig: Erst einmal ein Angebot an einer Schule schaffen, ohne sofort den Anspruch zu haben, dass es sofort ein regelmäßiges Angebot sein muss. Chorvereine sollten sich bewusst sein, dass viele Kinder und Jugendliche nicht daran gewöhnt sind, in einem Chor zu singen – insbesondere, wenn sie gesellschaftlich benachteiligt werden.

Ein Gespräch mit der Schulleitung ist eine Voraussetzung, um überhaupt an der Schule im Nachmittagsbereich ein Sing-Angebot zu machen. Solch ein Gespräch muss gut vorbereitet werden: Einerseits sollte ich mir als Verein bzw. Chorleitung bewusst machen, was ich möchte und was mir wichtig ist. Gleichzeitig ist es wichtig, die Schulleitung im Gespräch zu fragen: „Was haben Sie für Ideen?“ / „Wären Sie bereit, dass wir eine Nachmittags-AG im Singen einmal für ein halbes Jahr ausprobieren?“  – Die Ideen und Wünsche der Schulleitung decken sich ja nicht unbedingt mit jenen der Chorleitung oder des Vereins. Eine gute Kommunikation ist also sehr wichtig!

„Wenn die Kinder und Jugendlichen mitbekommen, dass sie beim Chorsingen in der Schule so sein dürfen, wie sie sind und dabei noch Spaß haben – dann kommen sie gerne!“


Wie hast du deine AG im Nachmittagsbereich gestartet?

Bevor die AG im Herbst losging, habe ich mich im Vormittagsunterricht kurz vorgestellt. So waren die Kinder und Jugendlichen informiert, wer diese Person ist, die gemeinsames Singen anbietet. Dabei geht es vor allem um Vertrauen.

Findet ein Nachmittagsangebot statt, ist es ratsam, dies nicht unbedingt „Chor“ zu nennen, sondern eine andere, kreative Bezeichnung zu finden. Denn für Kinder und Jugendliche, die noch gar keinen Zugang zum Chorsingen haben, kann das Wort „Chor“ erst einmal abschreckend wirken („Chor ist doch nichts für mich!“).

Worauf achtest du bei deiner Arbeit mit Kindern und Jugendlichen an Schulen?
Eine gute Kooperation mit den Kindern und Jugendlichen aufbauen ist wichtig. Sie sollen spüren: „Es ist wichtig, dass ich da bin.“ Ohne Zwang, ohne Strenge und ohne Druck. Wenn die Kinder und Jugendlichen mitbekommen, dass sie beim Chorsingen in der Schule so sein dürfen, wie sie sind und dabei noch Spaß haben, kommen sie gerne! Zu meiner Arbeit gehört auch, einfach mal ein Spiel anzubieten und nicht nur die Chorprobe „durchzuziehen“.

Freiheit ist mir auch wichtig: An der Schule, an der ich die AG anbiete, können die Kinder zum Beispiel nach einem halben Jahr die AG wechseln. Es gibt viele Angebote, die jungen Menschen sollen sich ausprobieren dürfen, ohne gleich „festgenagelt“ zu werden.

Außerdem spielt Beteiligung eine große Rolle bei meiner Chorarbeit: Kinder und Jugendliche sollen mitbestimmen dürfen. Wenn sie wirklich mitgestalten können, nach ihrer Meinung gefragt wird und diese auch umgesetzt wird, ist dies eine tolle Erfahrung von Wirksamkeit: „Meine Stimme wird gehört und ernstgenommen!“

„Freiheit ist mir auch wichtig: An der Schule, an der ich die AG anbiete, können die Kinder zum Beispiel nach einem halben Jahr die AG wechseln.“

Und nun noch die Frage nach dem Geld: Wie wird denn deine Nachmittags-AG finanziert?

Der Träger des Nachmittags an der einen Schule, an der ich arbeite, ist die AWO – diese unterstützt solche Projekte. Außerdem haben die Schule und der Förderverein der Schule ein Budget. Bei einem neuen Projekt an einer Sprachheilschule, mit dem ich im September 2023 starte, gibt es zudem die Möglichkeit, dieses über das Jugendbegleiterprogramm[1] Baden-Württemberg zu fördern.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Gespräch führte Hendrike Schoof (DCJ-Geschäftsstelle). Das Interview ist entstanden im Rahmen des Projektes „Chor & Schule“. Dieses Projekt wird gefördert aus Mitteln der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien (BKM) im Rahmen des Förderprogramms „MusikVorOrt“.


[1] Info zum Jugendbegleiterprogramm: Das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport bietet Schulen mit dem Jugendbegleiter-Programm seit 2006 die Möglichkeit, außerunterrichtliche Bildungs- und Betreuungsangebote zu realisieren. Jede zweite öffentliche Schule in Baden-Württemberg nimmt am Jugendbegleiter-Programm teil.
https://jugendbegleiter.de

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