Interview mit Anja Schmidt | Musikschule Fröhlich

Chorleiterin in Veilsdorf, Thüringen

Sie machen Chorarbeit an Schulen im Rahmen des Ganztags im Nachmittagsbereich. Was sind Ihre Erfahrungen dabei?
Ich habe bereits 2005 einen Chor gegründet – bis 2018 lief dies komplett ehrenamtlich. Dabei habe ich mit dem Landratsamt (Gebäudeverwaltung) gekämpft. Dieses wollte erst Geld für den Raum haben, dabei fand der Chor doch ehrenamtlich statt. Dann habe ich gedroht, die lokale Presse einzuschalten und die Schulleiterin erklärte, dass ich auch Schulauftritte mache.
Nun gibt es durch ein Gesetz seit 2018 AGs im Nachmittagsbereich der Schulen. Meine Erfahrung ist, dass die Schulen intensiv nach AG-Leitenden suchen, zu den unterschiedlichsten Themen: Erste Hilfe, Sport, Chor…  Besonders im ländlichen Raum gibt es leider wenig Chorleitende, die bereit sind, mit Kindern zu arbeiten.

„Wenn man hier sagt: ‚Ich möchte einen Schulchor gründen‘, hat man es leicht!“

Wie wird denn Ihre Chorarbeit an Schulen finanziert?
Bei einer Schule in Suhl lief das Budget über die Schulsozialarbeit für zwei Jahre. Bei einem anderen Chor in Bedheim wurde die Finanzierung wiederum über das Schulbudget abgedeckt.
Das Problematische an den Schul-AGs ist grundsätzlich: Die Gelder sind da, sie müssen aber jedes Jahr neu beantragt werden. Für die Gelder, die von der Gemeinde für die Förderung von Kinder- und Jugendarbeit kommen und die ich einmal jährlich beantragen kann, erhalte ich 3 Euro jährlich pro Chorkind.
Für die drei Hort-AGs wiederum, die ich anbiete, muss ein Plan eingereicht werden, was ich mit den Kindern vorhabe zu machen (und dies bei einem sehr geringen Stundensatz und ohne dass die Fahrtwege bezahlt werden). Ein anderes Beispiel ist: In einem Ort habe ich die Finanzierung im Juli beantragt, weil die Bewilligung erfahrungsgemäß immer sehr lange dauert. Sie wurde erst 10 Monate später genehmigt. Übergangsweise wurde dann die Finanzierung von der Schulsozialarbeit übernommen. Dann wiederum gibt es noch das Schulbudget.

Was ist unter dem Schulbudget zu verstehen?
Jede staatliche Schule in Thüringen erhält im Kalenderjahr ein Schulbudget in Höhe von 30 Euro je Schülerin bzw. Schüler. Das Schulbudget wird dafür verwendet, außerunterrichtliche Angebote zu finanzieren. Außerdem wird es für unterschiedliche Maßnahmen für Lehr- und andere Fachkräfte verwendet.

Was treibt Sie bei Ihrer musikalischen Arbeit im Nachmittagsbereich von Grundschulen an?

Mir macht die Chorarbeit großen Spaß, ich arbeite gern mit Kindern. Mir ist es wichtig, dass die Kinder etwas Sinnvolles machen. Da ich selbst in verschiedenen Chören mitsinge, möchte ich den Kindern dieses Erlebnis auch gern bieten.In Suhl haben wir 35 Kinder aus etwa acht Nationen – die Sprache zu fördern ist wichtig! Und dass die Kinder durch das Singen gestärkt werden. Wir machen auch viel Sozialarbeit. Darüber hinaus bin ich Chorleiterin im Kindercamp vom Chorverband Thüringen seit einigen Jahren.


Sie arbeiten in einer ländlichen Region in Thüringen. Was sind Ihre spezifischen Erfahrungen, was die Chorarbeit mit Kindern angeht?

Auf dem Dorf gibt es viele andere Chöre, da singen auch Oma und Opa mit. Da ist es klar, dass die Kinder dann auch für den Chor interessieren. Hier zum Beispiel übernimmt der gemischte Chor die Chorverbandsgebühren für die Kinder im Chor. In den Ortschaften, wo es schon gemischte Chöre gibt, läuft es auch mit den Kinderchören – so ist meine Erfahrung. Bei den Schulchören ist es anders: Die gemischten Chöre haben auf die Schulen keinen Einfluss, denn die Schulen sind meistens in der Stadt. Wenn die Kids dann in die fünfte Klasse kommen und dafür zur Schule in die Stadt fahren, wird es schwierig. Ich kenne zwei Jugendliche, die singen im Erwachsenenchor 30 Kilometer weit weg, weil dort auch Popsongs gesungen werden. Ich  nehme sie mit zur Probe, weil sie sonst gar nicht an diesem Angebot teilnehmen könnten.

Ich kenne zwei Jugendliche, die singen im Erwachsenenchor 30 Kilometer weit weg, weil dort auch Popsongs gesungen werden.

Was ist Ihnen abschließend noch wichtig zu sagen?

Das große Problem ist: Die Chorleitenden sind nicht da! Wir haben da einen großen Chorleitermangel. Wenn man hier sagt: ‚Ich möchte einen Schulchor gründen‘, hat man es leicht!

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Gespräch führte Hendrike Schoof (DCJ-Geschäftsstelle). Das Interview ist entstanden im Rahmen des Projektes „Chor & Schule“. Dieses Projekt wird gefördert aus Mitteln der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien (BKM) im Rahmen des Förderprogramms „MusikVorOrt“.

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