Corona und Singen im Chor

Obwohl wir uns in einer Phase der Lockerung der bundesweiten Einschränkungen zur Prävention der Corona-Pandemie befinden, werden die Beschränkungen und ihre Folgen in den Kinder- und Jugendchören noch lange wirken. Wir beobachten, dass Singen seit dem Verbot in der Gesellschaft mehr und mehr sein positives und gesundes Image verliert. In Probenräumen, in Kirchen, in Privathäusern, selbst auf Wanderwegen ist es still geworden. Unsere Gesellschaft wird seit dem Lockdown zunehmend schweigend und nicht singend. Dabei ist längst bekannt, wie wichtig Singen für einen gesunden Körper und eine gesunde Psyche ist. Deswegen ist jetzt der richtige Zeitpunkt, sich für das Singen, auch in der Öffentlichkeit, wieder neu auszusprechen. In einigen Bundesländern sind große Schritte unternommen worden, damit das gemeinsame Singen wieder möglich ist, in anderen wiederum nicht.

Wir leben in Zeiten einer medizinisch begründeten Ausnahmesituation, die weitreichende Maßnahmen erfordert und massive Einschränkungen im täglichen Leben mit sich bringt. In unseren Vereinen vor Ort werden die von Regierungsseite angeordneten Regeln und Empfehlungen seit dem Anordnungszeitpunkt verantwortungsbewusst umgesetzt. Die Vereine vor Ort haben mit kreativen Ideen weiter für die Musik und die Gemeinschaft auf Abstand gearbeitet. Um unser vielfältiges Angebot vor Ort und unseren Verband auch langfristig als leidenschaftlichen Akteur für die Kinder- und Jugendarbeit erhalten zu können, brauchen wir Unterstützung von Bund, Ländern und Kommunen. Diese Unterstützung benötigen wir unter anderem in folgenden Fragestellungen:

  • Probenarbeit

Die Absagen von Chorproben und Veranstaltungen führen teilweise zu sehr hohen Stornokosten von Veranstaltungsräumen, Busunternehmen etc. Zugleich brechen den Vereinen die Einnahmequellen zur Finanzierung der anfallenden Ausgaben weg.

Wir sehen enorme Vorteile im Föderalismus bei der dezentralen und situationsorientierten Bekämpfung der Pandemie. Der Dschungel aus Verordnungen und Ausnahmen innerhalb der Bundesländer aber gerade darüber hinaus macht die Chorarbeit sehr schwer. Bestehende Verordnungen und behördliche Empfehlungen müssen dringend angeglichen und verständlich dargelegt werden.

Für das Proben unter Hygienestandards sind zuweilen Anpassungen der Raumnutzung möglich. Ausreichend große Räumlichkeiten für Proben, wie ungenutzte Veranstaltungsräume, Turnhalten, etc. sollten zu finanzierbaren Konditionen den Vereinen zur Verfügung gestellt werden. Aber auch Beratung zur Umsetzung der Hygienestandards durch die Behörden ist notwendig.

Den Vereinen ist oft kein „Nachholen“ der Angebote/ Konzerte möglich. Für die Vereine bedeutet es nun gänzlich neue Jahresplanungen und zuweilen Zielsetzungen für den Chor und Verein in Angriff zu nehmen. Hierbei werden viele von ihnen Unterstützung brauchen, um die wirtschaftliche und inhaltliche Ausrichtung ihres Vereines nach der rasanten Talfahrt wieder zu organisieren. Dazu braucht es in den Verbänden Beratungskompetenz. Fördermittel für die Amateurmusik und Jugendarbeit sollten ohne weitere Einschränkungen direkt für die Beratung vor Ort eingesetzt werden können. Die Bildung eines Beratungsnetzwerks der Amateurmusikverbände ist dringend zu empfehlen, hierfür werden finanzielle Mittel benötigt. Wir sehen die Gefahr, dass Funktionäre in den Vereinen aus Angst vor neuen Pandemiewellen und Kontaktverboten sogar die Planung weiterer gemeinnütziger Aktivitäten in ihren Kinder- und Jugendchören aufgeben.

  • Verwaltung und Finanzen

Die meisten unserer Möglichkeiten, Dritt- oder Eigenmittel zu generieren, sind weggebrochen (z. B. Spendensammlungen oder Veranstaltungseinnahmen). Diese Mittel dienen zur Gegenfinanzierung von Maßnahmen und sind zu allen anderen geförderten Aktivitäten eine wichtige Finanzierungssäule in der Jugendverbandsarbeit. Die jetzt wegfallenden Einnahmen machen in vielen Vereinen die Arbeit eines ganzen Jahres unmöglich. Ohne finanzielle Unterstützung müssen Vereine und auch unser Verband sein Angebot massiv reduzieren – auf Dauer.

Die Umsetzung von Hygieneschutzkonzepten und die damit verbundene Angst vor Haftungsrisiken behindert den Wiedereinstieg in die Chorarbeit. Die Kommunen sind aufgerufen ihre Vereine hier zu unterstützen, beispielsweise durch Beratung bei der Umsetzung oder die Bereitstellung von Ressourcen (z.B. Masken, Räume, erfahrene Reinigungskräfte).

Die Möglichkeiten von Fristverlängerungen (Verwendungsnachweise, Anträge, nicht-fristgerecht mögliche Gremiensitzungen etc.) sollten proaktiv und allgemein durch die zuständigen Stellen gewährt werden, ohne dass dafür Einzelanträge nötig sind.

  • Gesellschaftliche Funktion und Zukunftssorgen

Der Alltag von Kindern und Jugendlichen wird auch in den kommenden Monaten deutlich anders verlaufen als bisher. Hier brauchen wir eine Kinder- und Jugendpolitik und eine Kinder- und Jugendhilfe, die flexibel nach Lösungen suchen und Ideen und Perspektiven für die Zeit in und nach der Pandemie entwickeln.

Gerade in Zeiten des Physical Distancings ist es wichtig, das Vereinswesen zu stärken, denn das Vereinswesen und das sozio-kulturelle Ehrenamt ist – so zeigt es die aktuelle Bereitschaftswelle – systemrelevant und kann soziale, gesellschaftliche und psychische Langzeitfolgen verhindern oder abmildern.

Außerunterrichtliche, wichtige Bestandteile des Schulalltags wie der Schulchor, aber auch andere Musikorganisationen dürfen nun in Krisenzeiten nicht als systemirrelevant bezeichnet und dann langfristig nicht mehr angeboten werden. Denn Schulchor und andere Musikorganisationen sind für das Gemeinschaftsgefühl der Schüler:innen, besonders in diesen Krisenzeiten, essentiell notwendig und tragen wesentlich zum Lebensraum Schule bei.

In unseren Vereinen vor Ort werden die von Regierungsseite angeordneten Regeln und Empfehlungen seit dem Anordnungszeitpunkt verantwortungsbewusst umgesetzt. Die Vereine haben mit kreativen Ideen weiter für die Musik und die Gemeinschaft auf Abstand gearbeitet. Auch viele unserer außerschulischen Betreuer:innen signalisieren uns, dass sie ihre freien Kapazitäten einsetzen, um Bildungsangebote weiter zu denken. In der aktuellen Situation wollen wir auch wir als Verband die Bildung im Land voranbringen und stehen im Kontakt mit den Kultusministerien. Mit der Hilfe der außerschulischen Betreuer:innen könnte Bildung in räumlich getrennten, den Schüler:innen räumlich näher gelegenen Orten als Schulen und in den Schülerzahlen reduzierten Lerngruppen möglich sein. Gemeinsam suchen wir nach einem Weg, schulische und außerschulische Bildung in Zeiten von Corona weiterzudenken. 

Die Corona-Pandemie hat einer breiten Gesellschaft die prekäre und fragile Arbeitssituation vieler Kunst- und Kreativschaffenden, wie den Musikern, vor Augen geführt. Die Entscheidung für einen musikalischen Beruf wird dadurch für viele junge Menschen zur existenziellen Gefahr, Studienabsolvent:innen ziehen einen beruflichen Umstieg in Betracht. Dies führt langfristig zu einer Verstärkung des bereits heute frappierenden Fachkräftemangels, sowohl in den Vereinen als auch im Bereich Schulmusik. Um diesem entgegenzuwirken braucht es klare Positionen der Politik, dass diese Bereiche für die Gesellschaft von hoher Relevanz sind und stabile, unbürokratische aber vor allem langfristige Unterstützungsprogramme.

Der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs des Bundes und der Deutsche Kinderschutzbund warnen vor den Risiken für das Kindeswohl durch die lange Isolation zuhause. Nicht für alle Kinder ist zuhause ein sicherer Ort. Die Vereine sind ein wichtiges Schutzinstrument, um Kindeswohlgefährdungen zu erkennen. Dieser Bereich muss dringend gestärkt werden. Gemeinsam mit den Jugendämtern braucht es verlässliche Strategien und Netzwerke, um Verdachtsfälle weiter zu beobachten und die Sicherheit der Kinder zu gewährleisten.

Die Schließung von Schulen und Kindergärten und die damit verbundenen Kinderbetreuungszeiten haben die Freizeitreserven und das Entgegenkommen von Arbeitgeber:innen der Eltern aufgezehrt. Unter anderem durch den vorzeitigen Abbau des Jahresurlaubes, Kurzarbeit und Existenzängste. Kinder- und Jugendchöre werden zukünftig noch verstärkt Problemen gegenüberstehen, weil Eltern sich nicht mehr so häufig wie vor der Krise für die Vereinstätigkeit ihrer Kinder einsetzen können. Kinderbetreuung in Zeiten der Corona-Pandemie, darf keine Hypothek für das ganze Jahr sein. Sonst drohen massive Krankheitsausfälle durch Erschöpfung und ein Erlahmen des zivilgesellschaftlichen Engagements.

Nach der Corona-Krise werden Vereine schnelle und unbürokratische Hilfestellungen benötigen. Überlegungen von Seiten der Regierungsparteien im Land, wie finanziellen Sofortmaßnahmen, die Erhöhung der Steuerfreigrenze für Einnahmen aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben, als auch einen generellen Bürokratieabbau begrüßen wir. Hier plädieren wir jedoch, dass dieses Problembewusstsein für Vereine auch nach der Corona-Krise von politischer Seite mitgetragen wird. Unsicher, wann in allen Chören wieder reguläre Proben, Konzerte und Veranstaltungen möglich sein werden, werden wir diese politische Unterstützung als auch weitere Initiativen der GEMA über die nächsten Monate und Jahre benötigen.

Dieses Positionspapier wurde erarbeitet von der Chorjugend im Fränkischen Sängerbund und der Chorjugend im Schwäbischen Chorverband und wurde am 13.09.2020 auf dem Chorjugendtag beschlossen.

Position in Einfacher Sprache

Singen in Kinder- und Jugendchören in Zeiten von Corona

Seit März 2020 gab es viele Einschränkungen, um die Ausbreitung des Corona-Virus zu verhindern. Auch die Kinder- und Jugendchöre waren davon betroffen. So durften keine Proben, Auftritte und ähnliches stattfinden. Die Folge war, dass es still geworden ist. Nirgendwo wird gesungen! Weder in Kirchen, noch in Privathäusern – selbst auf Wanderwegen singt niemand mehr. Es scheint so, als ob das Singen keinen guten Ruf mehr hat. Denn die Menschen haben Angst, sich dabei mit dem Corona-Virus anzustecken. So werden wir zu einer schweigenden, nicht singenden Gesellschaft. Diese Entwicklung ist nicht gut, denn Singen ist für Körper und Geist wichtig.

Es ist jetzt an der Zeit, wieder an das Singen zu denken und darauf aufmerksam zu machen.

In unseren Vereinen wurden dazu kreative Ideen entwickelt. So ist zumindest das Singen in Chören wieder möglich. Das geht aber nur, wenn Hygieneregeln mit viel Aufwand eingehalten werden.

  • Aber um ihre wichtige Arbeit weiterhin durchzuführen, brauchen die Vereine dringend Unterstützung:

Zur Bekämpfung der Pandemie gibt es ständig neue Verordnungen. Diese sind in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich und sie sind nur schwer zu verstehen. Die Verordnungen müssen dringend verständlich geschrieben und vereinheitlicht werden.

Die ständig wechselnden Verordnungen und Hygieneschutzkonzepte verunsichern die Menschen. Bei den Verantwortlichen in Vereinen wächst die Angst vor Haftungsrisiken. Deshalb trauen sich Viele nicht, wieder mit der Chorarbeit zu beginnen.

Die Kommunen sollten die Vereine unterstützen. Zum Beispiel durch Beratung bei der Umsetzung oder die Bereitstellung von Hygiene-Material.

Dieses Jahr verläuft völlig anders und erfordert neue Planungen. Diese Planungen beziehen sich z.B. auf die Angebote und die Finanzierung. Viele Vereine können diese Planungen nicht alleine durchführen, sondern brauchen dabei Unterstützung. Und zwar in Form von Beratung. Hilfreich wäre auch ein Beratungsnetzwerk aufzubauen. sollte erlaubt sein, Fördermittel ohne weitere Einschränkungen einzusetzen. Wir sehen sonst die Gefahr, dass die Vereine aus Angst vor erneuten Einschränkungen und finanziellen Verlusten keine Aktivitäten mehr planen.

Die Absagen von Chorproben und Veranstaltungen führen zu Stornokosten. Wir müssen z.B. den Bus zu einer geplanten und dann abgesagten Veranstaltung trotzdem bezahlen. Die meisten Möglichkeiten Geld einzunehmen, gibt es dagegen in diesem Jahr nicht. Das verursacht finanzielle Probleme. Ohne finanzielle Unterstützung müssen Vereine und auch unser Verband sein Angebot massiv reduzieren.

Fristverlängerungen, z.B. für Verwendungsnachweise von Fördermitteln, sollten allgemeingültig festgesetzt werden.

  • Gesellschaftliche Funktion von Vereinen und Sorgen um die Zukunft

Unser Alltag ist deutlich anders als bisher. Kinder und Jugendliche brauchen jetzt eine Politik, die für ihre Probleme flexibel Lösungen sucht. Wichtig sind auch Ideen für die Zeit nach der Pandemie.

Gerade in diesen schwierigen Zeiten ist es wichtig, die Vereine und das Ehrenamt zu stärken. Denn nur gemeinsam können wir die negativen Auswirkungen der Pandemie gering halten.

An vielen Schulen gibt es einen Chor, eine Musikgruppe oder Ähnliches. Diese sind für das Gemeinschaftsgefühl der Schüler:innen wichtig, besonders in Krisenzeiten. Deshalb müssen sie langfristig und dauerhaft angeboten werden.

Unsere Vereine setzen die Verordnungen und Vorschriften genau um. Damit Kinder und Jugendliche weiterhin Musik und Gemeinschaft erleben können, entwickeln wir neue Ideen. Dies gelingt durch das Engagement von vielen Menschen und der Zusammenarbeit mit den Schulen. Dabei geht es sowohl um Angebote innerhalb, als auch außerhalb der Schule.
 

Die Pandemie hat gezeigt: Menschen, die im Bereich Kunst und Kultur arbeiten, haben oft ungünstige Arbeitsverhältnisse und Arbeitsbedingungen. Das führt dazu, dass immer weniger Menschen in dem Bereich arbeiten möchten. Es kommt zu einem Fachkräftemangel in den Vereinen und in der Schule. Darum ist es wichtig, dass die Politik die Bedeutung von Kunst und Kultur betont. Und es ist wichtig, dass die Politik dauerhafte Unterstützung durch Geld, Material oder Beratung anbietet.
 

Während der Pandemie waren die Kindergärten und Schulen geschlossen. Das war nicht für alle Kinder und Jugendlichen gut. In manchen Familien kam es zu mehr Stress, Streit und Gewalt. Normalerweise sind Vereine ein Ort, wo dies bemerkt wird. Doch auch diese durften nicht öffnen und die schwierigen Situationen in Familien hat niemand bemerkt. Für die Zukunft ist es wichtig, gemeinsam mit den Jugendämtern Strategien und Netzwerke für ähnliche Zeiten zu entwickeln. Damit schwierige Situationen in Familien bemerkt werden und die Sicherheit der Kinder garantiert ist.

Während der Schließung von Kindergärten und Schulen mussten Eltern ihre Kinder viel mehr betreuen. Hinzu kommen Existenzängste von Familien, da sie weniger Geld zur Verfügung haben. Dies führt zu einer enormen Mehrbelastung der Eltern. Dadurch haben Eltern immer weniger Geld, Kraft und Zeit, sich für einen Verein zu engagieren. Letztendlich wird das Engagement für Vereine weniger werden. Damit dies nicht passiert, darf Kinderbetreuung in der Corona-Pandemie nicht alleine ein Problem der Eltern sein.

Nach der Corona-Krise werden Vereine Unterstützung benötigen. Und zwar schnelle Hilfe, mit wenig Verwaltungsaufwand. Dazu gibt es schon Überlegungen im Land, die wir positiv bewerten. Diese Unterstützung wird nicht nur kurze Zeit nötig sein, sondern noch über Monate oder Jahre.

Das ist die Meinung der Chorjugend im Fränkischen Sängerbund und der Chorjugend im Schwäbischen Chorverband zum Thema „Singen in Zeiten von Corona“. Der Chorjugendtag hat der Meinung im September 2020 zugestimmt.

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